About disengaged_machine

Seit Jahren erhalte ich anonyme Mails von einer Person, die ich nach laengerem Zoegern beginne hier zu veroeffentlichen. Warum diese Mitteilungen, Erzaehlungen, Analysen und Hilfeschreie bei mir ankommen, erklaert sich mir nur so, dass die Person in meinen Beschaeftigungen die Moeglichkeit erblickt, eine Antwort zu erhalten, die nicht auf eine blosse Wiederholung der radikalen Ausschliessung aus der Sprache hinausliefe, unter der sie offensichtlich leidet. Denn so oder so, ob K. nun das Opfer einer anonymisierten Gewalt wurde, die man sich in diesem Ausmass fuer liberale, demokratische Gesellschaften kaum glaubhaft machen kann, oder aber unter einer akuten paranoiden Psychose leidet: K ist Bewohner eben jenes Aussen ohne Innen, das mir in meiner eigenen theoretischen Arbeit, die auf die ethisch-ontologischen Effekte totalitarer Gewalt geht, immer wieder begegnet: von Arendts Begriff der Verlassenheit ueber Emmanuel Levinas‘ Beschreibung des Es gibt bis hin zu Eric Santners Beschreibung einer auf der Ebene des Fleisches wirksamen Macht – immer findet sich dieses Moment des Zussamenbruchs der Sprache und mit ihr der geteilten Wirklichkeit.

Unter der Rubrik Fiction werde ich fortlaufend die Mitteilungen K.s publizieren. Die Unterkategorie Story versammelt Mitteilungen, die sich aufgrund ihrer chronologischen Ordnung als Versuch lesen, eine einigermassen kohaerente Geschichte der Paranoia zu rekonstruieren. Mitteilungen, die sich direkt auf die Verfahrensweisen der Uebergriffe beziehen, werden nachfolgend unter der Unterkategorie tactics_techniques_procedures versammelt. Unter der KategorieThought werden eine Reihe von Texten veroeffentlicht, die zu dem, was K. berichtet, einen theoretischen, vorrangig psychoanalytisch und phaenomenologisch gepraegten Resonanzraum bilden koennen. Unter der Rubrik Technical Review werden jene Mails mit technischem Inhalt publiziert, die sich mir, aufgrund meiner Inkompetenz in diesen Dingen, selbst nicht recht erschliessen, aber wohl ein Art Dokumentation der Versuche Ks darstellen, eine Stueck Abstand und damit konsistente Wirklichkeit wieder herzustellen. Denn wo das Sprechen dauerhaft versagt, bleiben dafuer nur technische Mittel. Das, was K. berichtet, auch wenn es vielleicht nur der Ausfluss eines Wahns ist, ist doch technisch moeglich. Und diese Moeglichkeit, stellt man sie in den Kontext der Aufloesungserscheinungen, die K. beschreibt, koennte ein interdisziplinaeres Forschungsprojekt aufrufen, das die ontologischen Abbauphaenomene, die die kritische Phaenomenologie und Psychoanalyse, leider kaum eingehend rezipiert, in ihren Beschreibungen und Analysen totalitaerer Gewaltstrukturen zu artikulieren vermochten, noch einmal im Kontext der gegenwaertigen digitalen Infrastruktur und des politisch-instrumentellen Missbrauchs derselben nachzuzeichnen haette. Wo es – wie in der Ausnahmestruktur, die K. beschreibt – keine Moeglichkeit gibt, das Recht anzurufen, um die aufgeloesten Grenzen einzufordern, wo die demokratisch politische Grenzziehung im gemeinsamen Sprechen und Handeln ebenfalls versagt und wo im Extrem, das K. immer wieder als seine Situation herausstellt, das ethische Selbst-, Fremd- und Weltverhaeltnis in der Aufloesung jeder Grenze noch zusammenbricht, dort bleibt die technische Gegenwehr gegen die totale Aufloesung der Person als letzte Option.